Änderung der BGH-Rechtsprechung: Generelles Verbot
der Haltung von Hunden und Katzen im Mietvertrag verstößt gegen § 307
Abs. 2 Nr. 1, 535 Abs. 1 BGB
BGH Karlsruhe, AZ: VIII ZR 168/12, 20.03.2013
Eine Formularklausel wegen unangemessener
Benachteiligung des Mieters ist nach § 307 BGB unwirksam, wenn sie die
Möglichkeit einer Zustimmung des Vermieters zur Haltung von Katzen und
Hunden von vornherein und kategorisch ausschließt.
Daraus folgt aber nur, dass ein Vermieter nicht in jedem Fall
verpflichtet ist, eine Hunde- oder Katzenhaltung zu erlauben. Dagegen
berechtigt die bei Hunden und Katzen nicht generell ausschließbare
Gefahr einer Beeinträchtigung der Mietsache oder einer Störung von
Nachbarn den Vermieter nicht dazu, die Haltung von Hunden und Katzen im
Wege eines formularmäßigen Generalverbots ohne Rücksicht auf besondere
Umstände des Einzelfalls vollständig zu untersagen.
Eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB
liegt schon darin begründet, dass auch evident berechtigte Belange des
Mieters an einer entsprechenden Tierhaltung in vollem Umfang
ausgeblendet werden. Dem Mieter ist die Haltung von Hunden (und Katzen)
selbst in besonderen Härtefällen (etwa bei einem Angewiesensein auf
einen Blinden-, Behindertenbegleit- oder Therapiehund) untersagt.
Weiter ergibt sich eine unangemessene Benachteiligung des Mieters auch
daraus, dass das Hunde- und Katzenhaltungsverbot uneingeschränkt sogar
in den Fällen gilt, in denen auf Seiten des Vermieters kein berechtigtes
Interesse an einem solchen Verbot erkennbar ist, etwa weil von den
gehaltenen Tieren keine Beeinträchtigungen der Mietsache und keine
Störungen anderer Hausbewohner oder sonstiger Nachbarn ausgehen.
Ob eine Tierhaltung zum vertragsgemäßen Gebrauch im Sinne von § 535
Abs.1 BGB gehört, erfordert eine umfassende Abwägung der Interessen des
Vermieters und des Mieters sowie der weiteren Beteiligten. Diese
Abwägung lässt sich nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall
vornehmen, weil die dabei zu berücksichtigenden Umstände so individuell
und vielgestaltig sind, dass sich jede schematische Lösung verbietet.
Zu berücksichtigen sind insbesondere Art, Größe, Verhalten und Anzahl
der Tiere, Art, Größe, Zustand und Lage der Wohnung und des Hauses, in
dem sich die Wohnung befindet, Anzahl, persönliche Verhältnisse,
namentlich Alter, und berechtigte Interessen der Mitbewohner und
Nachbarn, Anzahl und Art anderer Tiere im Haus, bisherige Handhabung
durch den Vermieter sowie besondere Bedürfnisse des Mieters.
Die Unwirksamkeit der Klausel nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB
hat nicht zur Folge, dass jedermann ohne Rücksicht auf die Belange von
Vermieter und Nachbarn Hunde oder Katzen halten könnte.
Folge der Unwirksamkeit des formularmäßigen Ausschlusses der Hunde- und
Katzenhaltung, ist die in Anwendung der gesetzlichen Regelung (§ 535
Abs. 1 BGB) gebotene umfassende Abwägung der im Einzelfall konkret
betroffenen Belange und Interessen der Mietvertragsparteien und anderer
Hausbewohner und Nachbarn.
Ab sofort gilt, dass jede Tierhaltung eine einzelfallbezogene Abwägung erfordert. Ist niemand durch die Tierhaltung beeinträchtigt, gibt es auch keinen Grund für den Vermieter, diese dem Mieter zu verbieten.
Aufgrund der hohen Bedeutung, die Hunde und Katzen für viele Mieter besitzen, ist diese längst überfällige Entscheidung begrüßenswert.
Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Entscheidung auf die Beschlussfassung in einer Eigentümergemeinschaft zum generellen Hundeverbot für einen Wohnungseigentümer auswirken wird. Entsprechendes gilt für eine Vereinbarung in der Teilungserklärung. Über diese Frage wird der 5. Senat des BGH zu entscheiden haben.
Da dem Mieter einer Eigentumswohnung die Hundehaltung künftig nicht mehr generell verboten werden darf, nach bisheriger Rechtsprechung Eigentümerbeschlüsse ohne Anfechtung nach Bestandskraft verbindlich sind, verbleibt nunmehr ein Wertungswiderspruch, als dem Mieter mehr erlaubt ist, als dem Eigentümer selber.
Das Problem lässt sich nur lösen, wenn derartige Beschlussfassungen nicht nur als rechtswidrig, sondern als nichtig eingestuft werden. Bereits rechtskräftige Entscheidungen könnten im Wege eines Anspruchs auf ordnungsgemäße Verwaltung des begehrenden Eigentümers gegen die übrigen Wohnungseigentümer auf eine entsprechende abändernde Beschlussfassung gelöst werden.